Wandern in Dassia und Umgebung – Ein Tagebuch aus dem Norden Korfus
Von einem, der losging, um zu Fuß zu verstehen.
Tag 1 – Ankunft in Dassia: Zwischen Erwartung und Salzwind
Der Flug von Frankfurt war ruhig, der Übergang vom deutschen Hochsommer in das milde Mittelmeerklima überraschend sanft. Schon beim Verlassen des kleinen Flughafens in Kerkyra liegt diese eigentümliche Ruhe in der Luft – eine Mischung aus flirrendem Licht, Olivenstaub und der Ahnung, dass man sich auf Inselzeit umstellen muss. In Dassia angekommen, wirkt alles ein wenig verschlafen. Kein Ort, der laut ruft – eher einer, der still bleibt und abwartet, ob man bleibt oder weiterzieht.
Mein Quartier liegt etwas oberhalb des Küstenstreifens, an einer kleinen Stichstraße, umgeben von alten Bäumen und flachem Gestrüpp. Ich öffne das Fenster – von draußen dringt das ferne Geklapper von Tellern, das rhythmische Zirpen der Zikaden. Es ist später Nachmittag. Noch zu früh zum Schlafen, zu spät für eine große Wanderung. Ich ziehe die Schuhe an und gehe los – einfach nur die Straße hinunter, vorbei an meiner lieblings Taverne ( Andreas House Restaurant in Dassia: Ein Geheimtipp direkt am Strand) , einem alten Souvenirgeschäft, das mehr Staub als Kunden zu beherbergen scheint.
Tag 2 – Vom Strand in die Hügel: Erste Schritte ins Unbekannte
Dassia selbst ist kein Ort, der sich sofort offenbart. Der Strand ist schmal, das Wasser klar, aber nicht spektakulär. Ich bin nicht wegen des Meeres hier, sondern wegen der Wege, die sich von hier aus ins grüne Herz Korfus schlängeln. Mein Ziel für heute: das Dorf Kato Korakiana, etwas landeinwärts. Kein langer Marsch, aber ein Einstieg.
Der Weg führt zunächst an der Hauptstraße entlang, doch bald zweigt ein schmaler Pfad in die Olivenhaine ab. Ich folge ihm. Plötzlich ist es still. Nur das Knirschen meiner Schritte auf dem trockenen Boden begleitet mich. Die Luft riecht nach Staub, Thymian und gelegentlich nach Ziegen. Die Vegetation ist dicht, wild, manchmal undurchdringlich. Die Sonne steht hoch, doch im Schatten der Olivenbäume lässt es sich gut gehen.
In Kato Korakiana herrscht eine andere Zeitrechnung. Alte Männer sitzen auf Holzbänken, ein Kind rennt barfuß über den Dorfplatz, ein Hund döst vor einer geschlossenen Tür. Ich bestelle einen griechischen Kaffee, stark und schwarz. Später gehe ich weiter, ohne Karte, nur mit einer groben Richtung. Ich verlaufe mich nicht – oder besser: Ich lasse mich treiben.
Tag 3 – Ipsos und die Stille darüber
Heute geht es nach Ipsos, dem Nachbarort, der in den Reiseführern oft als trubeliger Badeort bezeichnet wird. Ich mache einen Bogen um den Hauptstrand, lasse die Musikboxen links liegen und nehme stattdessen den alten Eselspfad oberhalb des Dorfes. Kaum bin ich fünfzehn Minuten aufgestiegen, ist der Lärm verschwunden. Stattdessen liegt vor mir ein weiter Blick über die Küste, auf das glitzernde Wasser, das von oben betrachtet weniger touristisch wirkt.
Ein Hirte begegnet mir. Wir tauschen kein Wort, nur ein Nicken. Solche Momente prägen mehr als jedes Monument. Weiter oben zweigen kleinere Wege ab, teils kaum sichtbar. Ich folge einem davon, lande schließlich auf einer verlassenen Terrasse mit alten Trockenmauern. Hier mache ich Pause. Brot, Tomaten, ein Stück Käse – alles, was man braucht.
Später kehre ich über einen anderen Weg zurück, durch einen kleinen Wald aus Pinien. Der Geruch ist intensiv, fast süßlich. Ich nehme mir vor, morgen früh aufzubrechen – die Hitze wird sonst zu stark.
Tag 4 – Zum Pantokrator: Höher geht’s nicht
Der Pantokrator ist mit seinen rund 900 Metern die höchste Erhebung der Insel. Er dominiert die Landschaft, sichtbar fast von überall. Ich starte noch vor Sonnenaufgang. Die ersten Kilometer sind angenehm kühl, die Luft feucht vom Morgentau. Ich gehe durch Spartilas, ein Dorf, das sich wie eine Festung an den Hang klammert. Enge Gassen, Steinstufen, ein leiser Hauch von Abgeschiedenheit. Ein alter Mann füllt Wasser an einer Quelle ab – wir nicken uns zu. Wieder dieses stille Einverständnis.
Der Weg wird steiler, felsiger. Ich höre keine Stimmen, nur Vögel und gelegentlich das Schlagen meiner Schuhe auf losem Stein. Je höher ich komme, desto weiter der Blick. Albanien rückt näher, scheint zum Greifen nah. Die Vegetation wird karger, der Wind stärker. Schließlich stehe ich oben. Eine kleine Kapelle, eine Antennenanlage – nichts Spektakuläres. Und doch: das Gefühl, auf dieser Insel ganz oben zu sein, ist still erfüllend. Ich bleibe lange.
Der Abstieg ist mühsamer, nicht wegen der Beine, sondern wegen der Gedanken. Diese Orte wirken nach – nicht laut, sondern leise, im Innersten.
Tag 5 – Ein Tag ohne Ziel: Verlaufen erlaubt
Heute lasse ich das Ziel offen. Ich starte in Dassia, laufe einfach los. Nach wenigen Minuten bin ich auf einem Trampelpfad, der sich durch dichte Büsche windet. Keine Markierung, keine Menschen. Ich habe Wasser, etwas Proviant und die Lust, mich treiben zu lassen. Der Pfad wird schmaler, führt durch ein trockenes Bachbett, dann wieder bergauf. Gelegentlich raschelt es im Gebüsch – Eidechsen, vielleicht ein Marder.
Nach einer Stunde erreiche ich ein verlassenes Gehöft. Die Mauern sind eingestürzt, doch im Inneren wächst noch Basilikum. Wer hier wohl gelebt hat? Ich setze mich auf einen Stein, esse eine Aprikose. Kein Empfang, keine Geräusche. Die Zeit scheint zu stehen.
Später finde ich zurück auf einen größeren Weg, der nach Agios Markos führt. Dort trinke ich eine Limo in einem kleinen Café, spreche mit der Wirtin. Sie erzählt vom Winter, der hier ganz anders sei – stiller noch, kühler, aber nie einsam.
Tag 6 – Vom Gehen und Bleiben
Langsam geht die Reise zu Ende. Ich spüre es in den Beinen, aber auch im Kopf. Diese Tage waren mehr als Urlaub – sie waren ein Versuch, sich dem Ort zu nähern. Nicht mit Kamera oder Checkliste, sondern mit Zeit, mit Aufmerksamkeit.
Dassia selbst ist keine Schönheit im klassischen Sinne. Doch gerade darin liegt ein Reiz. Der Ort behauptet sich nicht, er zwingt sich niemandem auf. Wer ihn verstehen will, muss ihn ergehen. Nicht in Stunden, sondern in Tagen. Es sind die Wege, die erzählen – von alten Dörfern, von Menschen, die geblieben sind, von einer Landschaft, die sich nicht festlegen lässt: mal wild, mal sanft, mal undurchschaubar.
Fazit
Wandern in und um Dassia ist keine spektakuläre Erfahrung. Es ist eine stille, manchmal fordernde Reise durch eine Landschaft, die sich dem schnellen Blick entzieht. Wer bereit ist, langsam zu gehen, offen zu sein für Umwege, wird hier Wege finden, die man auf keiner Karte verzeichnet sieht.
Meta-Beschreibung:
Ein persönliches Wandertagebuch aus Dassia (Korfu): stille Pfade, alte Dörfer, ehrliche Begegnungen und intensive Naturerlebnisse. Ein Bericht über das Unterwegssein im langsamen Takt.
Labels: Dassia, Korfu, Wandern, Griechenland, Reisetagebuch, Olivenhaine, Pantokrator, Spaziergänge, Inselwanderung, Natururlaub, authentisches Griechenland, Reisebericht
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